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EU will Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente aufheben

Die Europäische Kommission hat am 10. Dezember 2008 in Brüssel das seit Monaten angekündigte Pharmapaket vorgestellt. Dieses enthält unter anderem einen Richtlinienentwurf, nach dem in Zuklunft pharmazeutische Unternehmen sich mit Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel direkt an interessierte Patienten wenden können. Diese Richtlinie soll nach Aussage des für die Unternehmens- und Industriepolitik zuständigen Vizepräsidenten der Kommission, Günter Verheugen, garantieren, 'dass die Menschen optimal über das Arzneimittel- und Therapieangebot informiert werden' (http://www.akdae.de/49/2008-131PDF2.pdf).

Der Entwurf soll laut der Kommission eine Lücke im derzeit gültigen Gemeinschaftskodex Humanarzneimittel schließen und zielt darauf ab, einen klaren Rahmen für die Bereitstellung von Informationen zu schaffen, die pharmazeutische Hersteller über ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel an die breite Öffentlichkeit weitergeben dürfen. Gleichzeitig soll durch diesen Vorschlag gewährleistet sein, dass die direkt an den Verbraucher gerichtete Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt bleibt.
Um zukünftig unterscheiden zu können zwischen 'Information', die erlaubt, und 'Werbung' für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die weiterhin untersagt bleiben soll, enthält der Entwurf zahlreiche Änderungen der Richtlinie 2001/83/EG, insbesondere verschiedener Artikel des Titels VIII in dieser Richtlinie zur Werbung, und der entsprechenden Verordnung Nr. 726/2004.
Die Richtlinie knüpft an solche, zukünftig erlaubten 'Informationen' zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine Vielzahl von Bedingungen, die sich im Wesentlichen dahingehend beschreiben lassen, dass derart 'qualitativ hochwertige' Informationen sich dann an die europaweit einheitlich geltenden gesetzlichen Vorgaben halten müssen, und die Inhalte qualitativ nicht hinter den in der Zulassung definierten Angaben (z. B. Gebrauchsinformation für Ärzte und Patienten) zurückstehen oder ihnen gar widersprechen dürfen.
Erlaubt sind die Weitergabe von Informationen über das Internet oder Printmedien, aber nur wenn sie angefordert oder abgefragt werden (sog. Pull-Information), und die direkte Beantwortung von Anfragen. Gleichzeitig verbietet die Richtlinie über Radio oder Fernsehen verbreitete Informationen.
Die Inhalte, Qualitätsstandards und Verbreitung der Informationen unterliegen laut Richtlinienentwurf grundsätzlich der Überwachung durch den jeweiligen Mitgliedsstaat. Dieser soll auch geeignete Methoden zur Durchsetzung der Richtlinie und Verhinderung von Missbrauch etablieren. Die von der EU-Gesundheitskommissarin, Frau Androulla Vassiliou, eingebrachten Änderungsvorschläge, insbesondere eine generelle Vorabgenehmigung der Patienteninformation durch die jeweiligen Aufsichtsbehören der Mitgliedsstaaten, wurden im jetzt vorgelegten Richtlinienentwurf unzureichend umgesetzt. So soll eine Überwachung der Patienteninformationen erst nach deren Verbreitung durch die pharmazeutischen Hersteller erfolgen. Ausgenommen von dieser Regelung sind die im zentralisierten Verfahren durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) zugelassenen Arzneimittel, bei denen vorab eine Überwachung der Informationen vorgesehen ist, und gewisse Situationen, in denen nicht eindeutig zwischen Werbung und werbefreier Information unterschieden werden kann und deshalb eine Vorabgenehmigung notwendig ist.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) lehnt diesen Richtlinienentwurf zur Patienteninformation über verschreibungspflichtige Arzneimittel ab. Bereits in ihrer Stellungnahme vom April 2008 zum Konsultationspapier der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG über Arzneimittel-Patienteninformation hatte die AkdÄ ausführlich auf die Risiken hingewiesen, die aus einer Ausweitung der Informationsmöglichkeiten der Industrie resultieren. Auch der jetzt vorgelegte Richtlinienentwurf wird nicht verhindern können, dass die pharmazeutischen Hersteller mit direkter Patienteninformation auch eigennützige Ziele verfolgen und durch Überschreitung der unscharfen Grenze zur Werbung Informationen auch als Bestandteil ihres strategischen und operativen Marketings für Arzneimittel nutzen. Dadurch würden die Umsetzung einer rationalen Pharmakotherapie und die Arzneimitteltherapiesicherheit gefährdet. Die AkdÄ appelliert deshalb an das EU-Parlament und den EU-Rat, dem von Herrn Verheugen propagierten Richtlinienentwurf eine klare Absage zu erteilen, und den pharmazeutischen Unternehmen nicht die Möglichkeit einzuräumen, zunehmend Einfluss auf das Verbraucherverhalten der Bürger und Patienten in der EU zu gewinnen. Stattdessen sollten verstärkt nationale Bemühungen unterstützt werden, die für Bürger und Patienten auf eine Bereitstellung unabhängiger, verständlicher und vergleichender Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Ärzte, Apotheker und andere Gesundheitsdienstleister abzielen.

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